Damnatio memoriae

Der etwas andere Lebenslauf ...

... wird zurzeit aufgeschrieben:

 

Damnatio memoriae - Wir haben aber überlebt

 

Eine alte Taktik der Herrschenden, sagt man, war die gezielte Auslöschung der Erinnerung der unbeliebten Zeitgenossen. Die Versuche blieben aber Stückwerk, denn es hat nie so richtig geklappt. Die historischen Detektive haben diese Machenschaften entdeckt und den Versuch als gescheitert öffentlich verkündigt. Und oft ist es so gewesen, dass diejenigen, die aus dem Gedächtnis der Menschheit getilgt werden sollten, länger leben als diejenigen, die sie verdammt haben. Dies gehört zur Ironie der menschlichen Geschichte. Darüber will ich hier berichten.

 

Gestatten? Ich möchte mich kurz vorstellen:

Ich bin der Schreiber dieser Zeilen, geboren im Land jenseits der Wälder, bekannt als Transsilvanien. Nein, bitte nicht! Bring dieses schöne Land nicht mit irgendeinem Vampirfürsten Dracula in Verbindung, der ist mir dort nie begegnet. Wie du ja weißt: Es ist eine gruselige Erfindung eines Engländers, der nie in Transsilvanien war. Historisch richtig ist nur der Name „Dracula“, tatsächlich ein Fürst aus dem Gebiet hinter den Karpaten, der Walachei, da unten. Heute ein Teil Rumäniens, Land der Europäischen Union.

Über die Walachei wirst du in diesem Buch mehr erfahren. Dort spielt sich das Hauptdrama ab. Dort wo einst ein Fürst mit Namen „Dracul“ herrschte.

Bei einem Namen wie Teufel (Dracul) kommen die Gruselschreiber leicht ins Träumen und schreiben Bücher, die dich im dunklen Winter beim knisternden Kaminfeuer zum Zittern bewegen.

Du wirst aber von einem anderen Fürsten lesen. Übrigens: Er stammt auch aus der Walachei und wurde oft mit seinem berühmten Vorgänger verglichen.

Sein Name wurde auch mit seinem fiktiven Vorgänger in Verbindung gedacht, nach dem Motto: ‚Er war der inkarnierte Dracula.‘ Auch das ist falsch! Der Fürst, der dir in dieser Erzählung begegnet ist kein fiktiver Blutsauger! Richtig ist, dass er ein real existierender Mensch war, der bescheidenen Kreisen entsprang, von Kunstschaffenden und Intellektuellen leider zum „großen Führer“ hochgelobt und werbemäßig gemalt und poetisch aufgebläht wurde. Und wie wir Menschen halt so sind: Wenn uns etwas eingeredet wird, dann glauben wir auch daran. Ja, wie du weißt und wie jeder weiß, große Volksführer, die es nicht sind und nie waren, müssen erschaffen werden, sie müssen poetisch kreiert werden. Bei den wirklich „Großen“ geschieht dies meistens nach der Zeit, in der sie groß geworden sind, wie bei Alexander dem Großen.

Aber andere werden schon zu Lebzeiten groß gedichtet und medienwirksam inszeniert. Der Mensch selber ist nicht mehr das, was er durch sich selber sein kann, sondern er wird in eine erfundene Rolle hineingedichtet. So wird aus einem Anstreicher und Schuster ein Führer des Volkes. Da aber dieser Mensch seiner erdichteten Rolle nicht gewachsen ist, wird er früher oder später zwangsläufig zu einem Diktator. Vielleicht fühlt er sich in dieser Rolle nicht wohl und will abtreten, aber das geht nicht mehr. Es gibt kein Zurück mehr. Um ihn ist eine politische Logistik aufgebaut, die nur mit seiner diktatorischen Rolle funktioniert. Und damit alles seinen Lauf hat, müssen alle menschlichen Elemente in der Diktatur um ihren Diktator logistisch funktionieren. Das ist die Diktaturlogistik. Dazu gehört ein angeordneter Sicherheitsdienst (Securitate), der mehr oder weniger die Sicherheitslogistik beherrscht. Ihm kommt eine besondere Rolle zu, weil ohne seine Logistik die gesamte Diktaturlogistik zusammenbricht. Die Mitarbeiter sind da, um zusammenzuhalten, was zusammen gehören muss. Um den Diktator gibt es eine Partei, deren Mitglieder zum Applaudieren da sind, wenn Genosse Diktator seine Worte gesprochen hat. Seine Worte müssen immer wahre Worte sein, sonst bricht die Diktaturlogistik zusammen. Also wird auch immer applaudiert, wenn der große ER spricht. Davor bewahrt einen der logistische Sicherheitsdienst, immer und überall mit seiner Horchlogistik anwesend. Auch in der einen Partei wird gehorcht zum Wohle des Diktators. So behorcht jeder jede und jede jeden. Das ist die Horchlogistik, die zu jener Zeit genauso gut funktionierte, wie die technische Horchlogistik der CIA oder anderen Geheimdienste.

Nur dort, in jenem Land und zu jener Zeit wurde diese von Mitmenschen geleistet. Ohne die Taktik des Schnüffelns und des Horchens funktioniert eine Diktaturlogistik nicht, sie bekommt gedankliche Risse. Diese werden dann gekittet durch Verleumdungen und anonyme Anzeigen der einen gegen die anderen. Und das ganze logistische System hat ein Ziel: Es geschieht zum Wohle des Volkes, das als Volksmasse für dieses Ziel erzogen wird.

Und auch die Erziehung der Volksmasse hat eine Logistik. Alles passt zusammen, vom Kindergarten bis zum ausgebildeten Facharbeiter wird das Schulmaterial vorbereitet. Die pädagogische Logistik ist auf den „neuen Menschen“ ausgerichtet, vom Kindergarten bis zum Facharbeiter, vom Abiturienten bis zum Akademiker.

„Die Formung des neuen Menschen“ ist pädagogisch-logistisches Programm. Und das Vorbild des „neuen Menschen“ ist in der Person des Conducătors (Führers) extra für diese Rolle neu kreiert und passend inszeniert.

So entsteht wie aus dem Nichts eine diktatorische Person, ein Fürst als Führer, der mit den eigentlichen Fürsten nichts gemein hat, weil er nicht als Fürst geboren. „Schuster bleib bei deinem Leisten“, so sagt es die einfache Volksweisheit. Aber diese ist nicht für die Ohren der diktatorischen Dichter geschaffen. Sie brauchen einen fiktiven Helden, den sie wie Phönix aus der Asche entstehen lassen. Und Helden hatten schon immer etwas Göttliches an sich. So wird die Rolle des Nationalführers mit göttlichen Wörtern umschrieben, teilweise sprachliche Reste aus der menschlichen Mottenkiste.

Und keiner weiß genau wie und plötzlich wird er wie ein real existierender Gott angebetet, immer im Gedächtnis der Mitmenschen anwesend, von der Kindheit bis ins hohe Alter. Der Mensch mit Namen Nicolae Ceausescu spielte die ihm zugeschriebene Rolle des großen Führers gut, wenn er ins Mikro schrie. Die von ihm bezahlten Intellektuellen liehen sich Wörter aus der griechischen Mythologie, wie „Titan der Titanen“, verglichen ihn mit historischen Figuren aus uralter Zeit, von ihnen zu Nationalhelden erkoren, als es noch gar keine Nation gab. Sie dichteten seine Auferstehung aus uralter Zeit, einer Zeit, die es real so nie gegeben, aber von Dichtern gerne erfunden wurde, damit der Mythos vom Nationalhelden von den Geten, Thrakern und Dakern über Griechen, Römern bis zu seiner Ankunft als Wiedergeburt gedacht werden konnte und musste. In ihrer künstlichen Freiheit schufen sie für ihn, den ehemaligen Bauernsohn, Arbeiter und bildungslosen Menschen, die Rolle seines Lebens bis in seinen Tod und über ihn hinaus. Gedanken, die gut zu dem Staate der Bauern und Arbeiter passte. „Der Bauern- und Arbeitersohn auf dem Volksthron!“ Das Schmeichelte denen da unten. „Einer von uns aus einfachen Verhältnissen.“

Auch das ist eine Fiktion der Denker und Dichter, die real für die Bauern und Arbeiter dachten, was diese denken dürfen. Den Bauern und Arbeitern blieb real nur die disziplinierte Arbeit für wenig Lohn.

„Arbeit“ ist Wort und Tat in einem, denn im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Will dir vielleicht nicht sofort einleuchten! Aber ich bin so erzogen worden im christlichen Sinne. Arbeit muss dich quälen, damit das Brot schmeckt.

 

 

Nun: eine kurze Zwischenfrage: Kommst du noch gedanklich mit? Kannst du mir noch folgen? ...

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"Damnatio memoriae - Wir haben aber überlebt"
Eine kurze Leseprobe der Einleitung zum geplanten Buch.
Michael Weber - Einleitung.pdf
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