„Die Herren der Welt gehen, unser Herr kommt!"

Liebe Leserinnen und Leser,

 

unter diesem Motto haben viele Angehörige der Bekenntnissynode von Barmen 1934 ihren christlichen Standpunkt als kurze Zusammenfassung gegenüber dem atheistischen Zeitgeist nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten verstanden.  Dieses Bekenntnis ist auch in unserem Gesangbuch unter der Nummer 810 zu lesen.

Durch eine persönliche Erfahrung in den vergangenen Tagen wurde ich an dieses christliche Bekenntnis erinnert. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich den tiefen Sinn und seine ewige Wahrheit neu erfahren.

Dazu zuerst eine kurze persönliche Vorgeschichte.

1977 lebte ich noch in Rumänien und gehörte der von der damaligen kommunistischen Regierung von Nicolae Ceausescu unterdrückten Bewegung zur Einhaltung der Menschenrechte an. Als Arbeiter trat ich damals für das Recht auf Gründung von freien Gewerkschaften ein. Und als bekennender Christ war es mir wichtig, dass ich frei und öffentlich meinen christlichen Glauben leben darf.

Das bedeute für mich, dass ich nur meinem Herren Jesus Christus dienen und dem „großen Führer“ nicht huldigen kann und will.

Wir wurden von der geheimen Staatspolizei (Securitate) als Staatsfeinde, „Vaterlandsverräter“ und „Parasiten“ bezeichnet, obwohl wir auch zur „Kommunistischen Jugendorganisation“ gehörten.

Ein Tag aus diesen dunklen Tagen meines Lebens ist mir auf besondere Weise in Erinnerung geblieben.

Am 13. November 1977 wurde ich wieder zur „Residenz“ der Securitate nach Hermannstadt geführt. Nach den entsprechenden Einschüchterungsversuchen (Prügel u. a.) und Drohungen folgte die Aussage eines Offiziers: „Heute wird es sich entscheiden: Dein Schicksal steht auf Messerschneide: Entweder wir schicken dich ins Donaudelta (Straflager für politische „Vaterslandverräter“), oder wir entziehen dir die Staatbürgerschaft und du kannst ab sofort als Staatenloser ausreisen.“ Nach dieser Drohung war für mich klar, dass ich schon gerichtet war und stellte mich seelisch auf das Verschwinden in einem der berüchtigten Straflager ein. Ich wusste, was das bedeutet, denn ich war erst einige Monate vorher aus einer „Arbeits- und Strafeinheit“ entlassen, in der ich 1 ½ Jahr „gedient“ hatte.

Ich fühlte mich wie ein „Haufen Elend“ und als Christ blieb mir nur das Beten in meiner verzweifelten Lage übrig. Dann ordnete mir ein Offizier an, mein „Lebenslauf“ der letzten Monate aufzuschreiben. (Das war ein Bericht, der dann mit den Berichten der Informanten verglichen wurde.) Sie verschwanden aus dem Zimmer.

Irgendwann kam ein Offizier zurück und schaute sich an, was ich geschrieben hatte. Dann sagte er kurz und knapp: „Das reicht! Schreibe das Datum und unterschreib unten!“  Als ich das Datum unter den Bericht schrieb, muss ich wohl traurig gelächelt haben. Denn der Offizier sah mich an und fragte: „Warum lächelst Du so traurig?!“

Ich hörte mich antworten: „Na ja, heute ist der 13.“ … Er schaute mich an, ging dann zum Wasserhahn und ließ das Wasser laufen. Er kam ganz nahe an mich heran und flüsterte: „Vergiss nie! Der 13 ist ein Glückstag für dich!“

Danach wurde ich zum Tor „begleitet“ und ich durfte die gefürchtete „Residenz der Securitate“ verlassen.

Kurz vor Weihnachten 1977 bekam ich dann die Aufforderung, mir die Unterlagen abzuholen, um das Land zu verlassen. Ich traute dem Ganzen nicht und erst als ich am 7. Juli 1978 auf dem Frankfurter Flughafen von meinem Onkel begrüßt wurde, wollte ich glauben, dass der Offizier es mit dem „13“ ehrlich gemeint hatte.

Und die Jahre vergingen: Ich holte am Abendgymnasium in Marburg mein Abitur nach. Ich studierte und wurde Gemeindepfarrer. Nebenbei schrieb ich an meiner Doktorarbeit. Vor drei Jahren empfahl man mir an der Orthodoxen Fakultät der Universität in Hermannstadt meine Dissertation abzugeben.

Und 33 Jahre später sollte ich unter ganz anderen Umständen meine Unterlagen in der ehemaligen „Residenz der Securitate“ abgeben.

Ironie meines persönlichen Schicksals: Im selben Gebäude und in einem Zimmer auf demselben Flur durfte ich beim Rektorat der Universität Hermannstadt meine schriftliche Dissertation abgeben. Nach der politischen Wende 1989 wurde die ehemalige in der Bevölkerung gefürchtete „Securitate-Residenz“ in ein Universitätsgebäude verwandelt, in dem nun Doktoranden ihre wissenschaftlichen Arbeiten vorlegen.

Als ich meine Ernennungsurkunde zum „Dr. theol.“ eben in diesem Gebäude Ende Oktober 2010 überreicht bekommen habe, musste ich zustimmend daran denken:

„Die Herren der Welt gehen, unser Herr kommt!“

Dies gilt auch für die Ökumene in Europa. Es wird immer selbstverständlicher, dass wir als Theologen an konfessionsverschiedenen Fakultäten promovieren und uns damit in das Denken und Glauben der anderen Christen einarbeiten.